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Begegnung

In all den Jahren begegneten Michael viele Wegbegleiter. Einige waren gute "Freunde", wie beispielsweise Ali, sein junger türkischer Nachbar, der ihm die Sichtweise anderer Kulturen vermittelte.

Andere waren auch gute "Lehrer", durch die er sich selbst sah. Sein Nachbar Volkmar war einer davon. Nach seiner Musikerzeit, er arbeitete als selbstständiger Gitarrist, war er inzwischen im Strafvollzug tätig. Durch ihn lernte er, wie priviligiert wir alle doch waren. Leider kam er immer weniger dazu, alle Freundschaften gebührend zu pflegen.

Zu dieser Zeit dachte Michael viel nach. Gerne beobachtete er in der Arbeit seine Kunden und Mitarbeiter. Auf dem Nachhauseweg sah er andere Fahrgäste in der S-Bahn und fragte sich, ob diese Menschen sich die acht Stunden in Ihrem Job wohl fühlten. Er wollte wissen, ob sie wohl ein gutes Selbstbewusstsein hatten und versuchte immer mehr in seine Empfindungen, statt in sein "Denken" zu kommen.

 

Michael fragte sich immer wieder, was das alles solle. Wieso hatte er am Ende des Monats wieder und wieder den gleichen Betrag in der Tasche und auf seinem Konto. Er verdiente doch bereits viel, viel mehr als noch vor einigen  Jahren. Wieso blieb dann nicht mehr übrig ? Er kam aus dem Grübeln nicht heraus und auch gesundheitlich schien es ihm immer schlechter zu gehen. So hatte ihn, nun Anfang November, bereits ein anfangs leichter Schnupfen niedergestreckt. Er war tatsächlich zwei Wochen lang bettlägerig, bis sich sein Körper wieder etwas erholt hatte. Ihm war bewußt, dass er sich überstrapaziert hatte. Er beschloß seinen Chef auf eine "Auszeit" anzusprechen.

Momentan las er ein kleines Gedichtband-Büchlein "Gedichtband über Alltag, Leid und Liebe". Dabei gefiel Ihm ein Sinnspruch von Guy de Maupassant.

 

Rostbild_Es sind die Begegnungen

"Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen."

 

Michael konzentrierte sich wieder darauf, welche Menschen ihm den ganzen Tag begegneten. In der U-Bahn, am Arbeitsplatz, auf dem Nachhauseweg, aber auch am Wochenende, auf dem Weg zum Zeitungholen. Und in seinem Kopf liefen Bilder der verschiedensten Menschen und Gesichter ab. Plötzlich stand vor ihm ein Bekannter. Da Michael weitsichtig war und auch in den letzten Jahren immer schlechter sah, war es ihm manchmal peinlich, wenn er Bekannte erst spät, oder manchmal gar nicht erkannte. "Hallo, wie gehts" hörte er nur. "Hallo" war anfangs nur seine Antwort, da er den Mann nicht zu kennen schien. Doch nach Kurzem entpuppte sich dieser Mann als Arno, einem früheren Schulfreund. Arno erzählte davon, dass er seit einer Woche in einem Reisebüro für Südostasienreisen arbeitete.

Was für ein Zufall, dachte sich Michael. Und er steckte sich die Visitenkarte von Arno in seinen Geldbeutel und grinste.

"Ich melde mich bald, Arno", verabschiedete sich Michael.

 

Rostbild_Marie von Ebner-Eschenbach

Eines Abends dachte er an seine, vor acht Jahren verstorbene, Mutter.

 

Sie riet ihm immer: "Mach morgens einen strammen Spaziergang von einer  dreiviertel Stunde im Grünen, dann werden dir Antworten auf deine vielen Fragen kommen."

Bei Michaels Arbeitszeiten bedeutete das um 5 Uhr aufzustehen !

 

Irgendwie hatte Michael den Tod seiner Mutter immer noch nicht richtig verarbeitet.

Sie starb damals so schnell. Krebs im weit fortgeschrittenen Stadium, der dann streute.

Er hatte sich als Kind sehr oft mit den Sorgen seiner Mutter identifiziert, das war ihm bewusst.

 

Rost-Bild_Ausschnitt

Nach etwa einer Woche gewöhnte er sich langsam an das frühe Aufstehen und fand sogar Gefallen daran, morgens ganz alleine zu sein. Nun im November ist es schon reichlich kalt. Er dachte bei sich daran, dieser eisigen Kälte zu entfliehen. Sah sich unter Palmen liegen.

"Herzens-Wärme kommt von innen" hörte er eine Stimme neben sich.

Doch er sah niemanden. Nach einem kurzen Moment hörte er "Die Reise beginnt jetzt" und sah einen alten Chinesen im Park neben sich herlaufen.

 

"Kann ich Sie ein Stück des Weges begleiten ?" Er stellte Michael einige Fragen ...Wie er momentan leben würde ? Ob er bereit wäre, morgen zu sterben, oder ob er noch gerne etwas nachholen möchte, wenn "seine Zeit" auf einen kurzen Zeitraum von zwei Wochen beschränkt wäre.... Michael bekam aber keine Angst, denn der alte Mann wirkte friedlich und war von sehr zierlicher Gestalt.

 

"Was glauben Sie, geschieht mit dir, wenn du einmal aus Ihre Körper gehen? Was fühlen Du nun, wenn du das denkst? Öffne Sie die Gedanken, dass diese Leben hier eine winzige Episode in Ihre ewige Leben ist, so kurz wie ein Blitz in der Ewigkeit. Solange du glauben, ‚danach‘ käme nichts, fehlen Dir das große Vertrauen in Leben." Während den letzten Sätzen kritzelte der Chinese etwas auf einen Zettel und drückte ihn Michael mit den Worten in die Hand "Wir sehen uns wieder."

Genauso schnell wie er auftauchte, war der Chinese auch wieder verschwunden. Wo war er hingegangen ? Er befragte ein vorbeigehendes, älteres Paar, ob sie den Chinesen gesehen hatten? Diese verneinten einheitlich. "Gerade vor 1-2 Minuten" stotterte Michael. Doch sie waren sich wirklich sicher, dass niemand in den letzten fünf Minuten an ihnen vorbeiging.

Rost-Bild_Geheimer Zettel

 

Der Zettel mit den Notizen des alten Chinesen war da.

 

Das war der Beweis, dass es nicht nur ein Hirngespinst war !

 

Michael war sprachlos. Da stand etwas von Thailand und Nepal.

Er wollte doch eine "Auszeit!". Woher konnte der alte Chinese das wissen. Und was bedeuteten die anderen wirren Sätze ?

 


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